Der Friedenssaal des historischen Rathauses in Osnabrück ist einer der beiden Schauplätze des Westfälischen Friedens. Neben Münster wurden hier die Friedensverträge zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges unterzeichnet. Damit wurde gleichzeitig auch der Achtzigjährige Unabhängigkeitskrieg der Niederlande beendet.
Der Dreißigjährige Krieg
Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 mit dem Prager Fenstersturz ursprünglich als Religionskonflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Er weitete sich aber schnell zu einer politischen und militärischen Auseinandersetzung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in ganz Europa aus. Schätzungsweise sechs Millionen Menschen fielen Plünderung, Leid, Mord und Zerstörung zum Opfer. Hinzu kamen Seuchen und Krankheiten, wie beispielsweise die Pest im Jahr 1635. Die Folgen von wirtschaftlichem Niedergang und der Verlust kultureller Entwicklung u. a. aufgrund der starken Entvölkerung prägten die Nachkriegsjahre stark. Dieser extrem verlustreiche und kostspielige Krieg ließ die Kriegsparteien schließlich umdenken und auf eine diplomatische Friedenslösung hinarbeiten.
Der Westfälische Frieden
1643 begann daher der Friedenskongress in den beiden westfälischen Städten Münster und Osnabrück. Die Nähe der beiden Orte und ihre noch unzerstörte Infrastruktur gewährleisteten nicht nur einen schnellen Informationsaustausch, sondern auch Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeiten für die Gesandten und ihr Gefolge. Das mehrheitlich protestantisch geprägte Osnabrück wurde zum Verhandlungsort für die Schweden, die Gesandten des Kaisers und die protestantischen Reichsstände auserkoren, während im katholischen Münster die Gesandten Frankreichs, des Kaisers und der katholischen Reichsstände aufeinander trafen. Die langwierigen und oft vom Scheitern bedrohten Verhandlungen wurden in Osnabrück am 6. August 1648 zwischen Schweden, den Reichsständen und dem Kaiser mit dem sogenannten Osnabrücker Handschlag feierlich besiegelt. Die Unterzeichnung der Friedensverträge erfolgte am 24. Oktober 1648 in Münster, am 25. Oktober wurde der Friedensschluss dann von der Osnabrücker Rathaustreppe verkündet.
Ein Rekord der Diplomatie
Der Westfälische Frieden gilt als herausragendes Ereignis der deutschen und der europäischen Geschichte, denn mit ihm wurden erste Grundlagen für ein vereintes Europa geschaffen. Niemals zuvor wurde ein Krieg durch Diplomatie beendet. Seit April 2015 sind das Osnabrücker Rathaus und das Rathaus von Münster daher Träger des Europäischen Kulturerbesiegels. Die Europäische Kommission verleiht dieses Siegel an Orte, die eine besondere Bedeutung für die Geschichte Europas haben.
Die Gesandtenportraits
Die Wände des Friedenssaals im 1512 fertiggestellten Rathauses schmücken die Porträts von 42 europäischen Gesandten des Friedenskongresses und die Bildnisse der Herrscher der damaligen Kriegsparteien - der schwedischen Königin Christina, des französischen Königs Ludwig XIV. und des römisch-deutschen Kaisers Ferdinand III. Der renommierte flämische Maler Anselm van Hulle wurde 1648 mit der Anfertigung beauftragt. 1886 wären sie fast durch großformatige Historienbilder ersetzt worden, da sie nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprachen. Unterhalb der Porträts und Fenster befindet sich das mit Schnitzwerk verzierte Eichenholz-Gestühl, welches gotische Muster mit Motiven der Frührenaissance verbindet.
Die Priviliegienschreine und der Kronleuchter
Die sogenannten Privilegienschreine sind zwischen den Fenstern ins Mauerwerk eingelassen. Als Wandschränke dienten sie u. a. den großen Osnabrücker Hospitälern zur Verwahrung wichtiger Dokumente wie Stiftungsurkunden und Rezepten. Sie sind mit figürlichen und ornamentalen Schnitzereien der Werkstatt des Osnabrücker Meisters versehen. Die Wandschränke mit schlichteren Türen konnten Bürger für ihre Wertsachen als eine Art Schließfach anmieten. Als zentrales Prunkstück thront ein schmiedeeiserner Kronleuchter aus dem 16. Jahrhundert über dem Raum. Seine drei Ebenen thematisieren bildhaft das Paradies (in Form von Adam und Eva und dem Baum der Erkenntnis), das Firmament mit Sonne, Mond und Sternen sowie Maria mit dem Jesuskind und drei Vertretern der Stände (gedeutet als Nährstand, Wehrstand und Lehrstand). Naturalistisch geformte Lilien mit volutenartig gedrehten Kerzenständern wechseln sich am Reif ab, nur einmal unterbrochen von einem Rundschild mit dem Wappen der Stadt. Das Rentiergeweih eines Sechsundreißigenders wurde später eingefügt. Die schwedische Königin Christina schenkte es der Stadt Osnabrück zur Friedensunterzeichnung.
Der Friedenssaal im 20. Jahrhundert
Im Laufe der Zeit unterlag der Friedenssaal immer wieder baulichen Veränderungen (Kachelofen, Verschalung der Deckenbalken, Übertünchen der Wandmalereien). Den Bomben des Zweiten Weltkrieges entkam das Inventar glücklicherweise durch eine rechtzeitige Auslagerung, sodass der Friedenssaal 1948, zum 300-jährigen Friedensjubiläum, feierlich wiedereröffnet werden konnte. 1987 wurden der Parkettboden und die provisorische Kassettendecke durch die heutigen Sandsteinfliesen und Deckenbalken aus 200 Jahre alten Flusshölzern ersetzt. Im Jahr 1998 war der Friedenssaal anlässlich des 350. Jubiläums des Westfälischen Friedens Schauplatz einer feierlichen Zusammenkunft von 20 Königinnen, Königen und Staatsoberhäuptern der ehemaligen Kriegsparteien, darunter Königin Beatrix der Niederlande, König Carl XVI. Gustaf von Schweden, König Juan Carlos I. von Spanien und der damalige Bundespräsident Roman Herzog. Besucher können sich ins Goldene Buch eintragen, welches im Friedenssaal ausliegt.
Tradition des Handgiftentags
Eine besondere Tradition stellt der Handgiftentag dar, welcher alljährlich am Tag nach Neujahr im Friedenssaal stattfindet. Er geht zurück auf eine Überlieferung der Osnabrücker Stadtverfassung, der „Sate“ aus dem Jahr 1348. Damals reichten sich die Wahlmänner für die Ratswahl als Zeichen ihrer ehrbaren Absichten die Hände. Die Bürger wurden vom Stadtschreiber aufgerufen, sich an besagtem Tag zum Rathaus zu begeben, um bei Glockenschlag die Ratsherren zu wählen. Nicht Anwesende wurden mit einer Geldstrafe bedroht. Sobald die Wahl vollzogen war, verkündeten dies die Glocken der benachbarten Kirche St. Marien. Auch heute kommt dem Handgiftentag eine besondere Bedeutung zu. Das Stadtoberhaupt befasst sich mit den Zukunftsperspektiven, alle Beteiligten formulieren ihren Willen, sich für die Stadt zu engagieren, indem sie sich die Hände reichen.
Weitere Sehenswürdigkeiten des Rathauses
Neben dem Friedenssaal und einem Modell der Stadt Osnabrück von 1633 können Besucher auch die Schatzkammer besichtigen, in der das Ratssilber, Münzen, Prägestempel, die älteste Schützenkette und wichtige Urkunden aufbewahrt werden.